Der Bruder von Frau K. ist schwer krank und sie fragt sich: Was kann am Lebensende getan werden, damit es ihm gut geht?

Der Bruder von Frau K., Herr M., lebt in einer kleinen Außenwohngruppe in der Innenstadt und arbeitet in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Die Geschwister haben sich sehr gern und treffen sich oft zu einem gemeinsamen Stadtbummel mit Kaffeetrinken. Manchmal besucht Herr M. seine Schwester auch bei ihrer Familie zu Hause. Dann backen sie zusammen Herrn M.s Lieblingskuchen und spielen mit den Kindern „Mensch ärgere dich nicht“. Herr M. ist jetzt Ende zwanzig.

Vor 10 Jahren hatte Herr M. eine Krebserkrankung, Leukämie. Zuerst erfolgte eine Chemotherapie. Dann wurde eine Stammzelltransplantation durchgeführt. Frau K. machte sich große Sorgen um Herrn M. Sie hatte Angst, ihren Bruder zu verlieren und war froh, dass die Behandlung erfolgreich war. Herr M. wurde wieder gesund und erholte sich gut. Vor einigen Monaten war er bei einer Routineuntersuchung. Der Arzt hat ihn untersucht und Blut abgenommen. Er äußerte den Verdacht einer erneuten Krebserkrankung. Als der Arzt das sagte meinte Herr M. sofort: „Ich geh nie wieder ins Krankenhaus!“

Der Arzt akzeptierte seine Entscheidung und bot eine weitere Unterstützung an. Herr M. sprach mit seiner Schwester zusammen mit der Wohngruppe. Alle waren sich einig, dass er so lange wie möglich in der Wohngruppe bleiben sollte.

Seitdem verschlechtert sich der Allgemeinzustand von Herrn M., erst schleichend und in den letzten Wochen rapide. Am Sonntag beim Kaffeetrinken bei seiner Schwester hat er kaum einen Bissen gegessen. Er klagt über Unwohlsein und Schmerzen. Er wirkt blass und wird immer dünner. Frau K. ist traurig zu sehen, wie schlecht es ihrem Bruder geht. Ihr fällt es schwer, Herrn M.s Entscheidung zu akzeptieren und wünscht sich, dass er sich weiter untersuchen und behandeln lässt.

Deshalb sucht seine Schwester das Gespräch mit den Mitarbeitenden der Außenwohngruppe. Auch dort möchte Herr M. kaum noch etwas essen, wehrt die angebotenen Speisen ab. Die Mitarbeitenden berichten weiter, dass Herr M. häufig müde ist, körperlich immer schlapper sowie kurzatmig wird und sich aus dem Gruppenalltag zunehmend zurückzieht. Seine Schwester, Frau K. und die Mitarbeitenden fragen sich, was sie tun sollen.

Auch die Regionalleitung der Einrichtung kann Frau K. nicht weiterhelfen. In einem Telefonat sagt sie: „Die Mitarbeitenden tun alles, was ihnen im Moment möglich ist. Und ja, es ist für alle eine zunehmend belastende Situation. Wir müssen schauen, wie lange die Versorgung gewährleistet werden kann. In dem Team arbeiten keine pflegerischen Fachkräfte und für die Außenwohngruppe ist keine Nachtwache vorgesehen. Auch sind die Zimmer der Bewohner*innen recht klein und ohne pflegerische Ausstattung, ebenso das Bad. Vielleicht ist es besser, dass Herr M. bald in ein Pflegeheim zieht oder er in ein Hospiz geht“.

Nun gibt es die Idee, sich mit allen Beteiligten an einen runden Tisch zu setzen, um gemeinsam zu klären: Was braucht Herr M.? Was kann getan werden? Wie geht es weiter? 

Die Regionalleitung bittet das Ethikkomitee, das vom regionalen Palliativnetz eingerichtet wurde, um Unterstützung. Das Ethikkomitee greift das Anliegen auf und lädt die Beteiligten zu einem Gespräch in die Räume des ambulanten Hospizdienstes ein.

 

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