PiCarDi 2: Vorgehen in den einzelnen Teilprojekten

Auf dieser Seite erfahren Sie mehr über die Schwerpunktthemen der einzelnen Teilprojekte in PiCarDi 2 (Laufzeit: 01.06.2020-31.10.2023).

Verbundprojekt PiCarDi 2

Im Rahmen der zweiten Förderphase des PiCarDi-Projekts (2020-2023) wurden vertiefende empirische Erkenntnisse über bestehende Barrieren und Gelingensbedingungen für eine teilhabeförderliche und qualitativ hochwertige palliative und hospizliche Versorgung eruiert. Dazu wurde eine Analyse der organisatorischen Abläufe und der internen Organisationskultur in den Einrichtungen vorgenommen, die die Qualität der Versorgung in der letzten Lebensphase maßgeblich beeinflussen können. Besondere Bedeutung kam dabei der Gestaltung von Entscheidungsprozessen und den Strategien der Vernetzung mit Palliativ- und Hospizangeboten zu. Diese Aspekte wurden als wichtige Prädiktoren sowohl für die Versorgungssicherheit als auch für die Qualität der Versorgung identifiziert. Insgesamt trägt das Projekt zu einer hohen Versorgungsqualität, eingebettet in ein inklusives Gemeinwesen, bei. Sowohl die Berücksichtigung der hier fokussierten Personengruppe in den sich derzeit innovativ entwickelnden Caring Communities als auch die exemplarische Erfassung von Mikronetzwerken im Kontext sterbender Menschen mit geistiger und schwerer Behinderung sowie die Gestaltung von Beratungsprozessen zur Gesundheitlicher Versorgungsplanung gemäß §132g SGB V mit dieser Personengruppe sollen hierzu einen Beitrag leisten. Auf dieser Grundlage erfolgte in PiCarDi 2 die schrittweise Entwicklung neuer Konzepte und Ansätze, um Anstöße für die Weiterentwicklung der Praxis zu geben.

Vorgehen im Teilprojekt Münster (PiCarDi-D)

In der ersten Phase des Teilprojektes PiCarDi-D (2017-2020) zeigte sich als ein zentrales Ergebnis der qualitativen Erhebung in Wohneinrichtungen der Behindertenhilfe in drei Bundesländern, dass die Qualität der Versorgung und Begleitung von Menschen mit geistiger und schwerer Behinderung in hohem Maße abhängig ist von Einstellungen und Haltungen von Mitarbeitenden und von konzeptionellen Rahmungen und deren Umsetzung in der Eingliederungshilfe. Auch die quantitative Untersuchung der Umstände des Sterbens von Menschen mit geistiger und schwerer Behinderung in der Eingliederungshilfe ließ einen Zusammenhang zwischen organisationalen Faktoren und der Qualität der Versorgung am Lebensende erkennen.­­

In der 2. Phase von PiCarDi-D wurden die Erkenntnisse der ersten Phase vertieft, indem die spezifischen Dynamiken, organisationalen Bedingungen und Aspekte der Organisationskultur, die die Qualität der Begleitung und Versorgung von Menschen mit geistiger und schwerer Behinderung in der Behindertenhilfe beeinflussen, in den Mittelpunkt gestellt wurden.

Hierzu haben Leitungspersonen und Teammitglieder aus Einrichtungen der Eingliederungshilfe Fragebögen zur Erhebung der Organisationskultur ausgefüllt. Es wurde eine eigens für diese Befragung adaptierte Version der in Australien entwickelten und in Deutschland erprobten „Group Home Culture Scale“ genutzt.

Zudem wurde in Workshops mit Mitarbeitenden verschiedener Funktionsbereiche in Einrichtungen der Eingliederungshilfe die konkrete Ausgestaltung der Begleitung in der letzten Lebensphase herausgearbeitet. Ergänzend wurden Interviews mit Angehörigen bzw. rechtlichen Betreuer*innen geführt, um zu erheben, wie sie in ihrer Rolle die Begleitung durch die jeweilige Einrichtung erleben und was ihnen dabei wichtig ist. Mithilfe einer szenischen Impulsgeschichte, die die Situation einer Person am Lebensende umschreibt, wurde mit den Beiräten der Bewohner*innen derselben Einrichtungen diskutiert, wie sie die Begleitung von Mitbewohner*innen bisher erlebt haben und was aus ihrer Sicht für eine gute Begleitung wichtig ist. Die Betrachtung der Begleitung aus diesen verschiedenen Perspektiven der Beteiligten ermöglicht es, Hindernisse und Erfolgsfaktoren für eine gute Begleitung genauer darstellen zu können. Aus den Ergebnissen wurden Handlungsempfehlungen für die Praxis innerhalb der Eingliederungshilfe und die Zusammenarbeit sowohl mit Angehörigen und rechtlichen Betreuer*innen als auch mit externen Kooperationspartner*innen der Palliativversorgung und hospizlichen Begleitung abgeleitet.

Vorgehen im Teilprojekt Berlin (PiCarDi-P)

In der ersten Förderphase des Teilprojekts PiCarDi-P (2017-2020) fand eine quantitative Fragebogenerhebung von palliativen und hospizlichen Leitungskräften in den Bundesländern Berlin, Nordrhein-Westfalen und Sachsen statt. Um für Deutschland repräsentative Daten zu den Erfahrungen in der palliativen und hospizlichen Versorgung von Menschen mit geistiger und schwerer Behinderung zu erhalten, wurde diese quantitative Fragebogenerhebung in der zweiten Förderphase (2020-2023) auf die restlichen 13 Bundesländer ausgeweitet.

Da Caring Communities durch ihre regionalen und kooperativen Strukturen und Care-Formen Möglichkeiten einer bedürfnisorientierten Versorgung in der letzten Lebensphase bieten, wurden zudem fünf Caring Communities kriteriengeleitet ausgewählt und mit Hilfe von Netzwerkanalysen untersucht. In Gruppendiskussionen mit relevanten Akteur*innen, zu denen auch Fachkräfte aus dem Palliative-Care-Bereich sowie der Eingliederungshilfe gehörten, wurden Netzwerkkarten erstellt und in Hinblick auf die Einbindung von Menschen mit Behinderung/ der Eingliederungshilfe sowie der palliativen und hospizlichen Leistungserbringer untersucht. Ziel war es, Herausforderungen und Gelingensbedingungen für die Einbindung der Zielgruppe zu formulieren und palliative und hospizliche Zugangsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderung zu schaffen.

Um die konkrete Zusammenarbeit der unmittelbaren Akteur*innen detailliert erfassen zu können, wurden partizipativ und in einem ethisch vertretbaren Rahmen zwei Menschen mit geistiger und schwerer Behinderung in der letzten Lebensphase über mehrere Monate in ihren Wohneinrichtungen wissenschaftlich begleitet. Neben Teilnehmenden Beobachtungen, wurden auch Netzwerkkarten von beteiligten Akteur*innen erstellt und anschließend analysiert. Die Ergebnisse der quantitativen Fragebogenerhebung, der fünf Makroanalysen und der zwei Mikroanalysen wurden abschließend zusammengeführt und Handlungsempfehlungen für eine teilhabeförderliche und qualitativ hochwertige palliative und hospizliche Begleitung formuliert.

Vorgehen im Teilprojekt Leipzig (PiCarDi-U)

In der ersten Phase des Teilprojekts PiCarDi-U (2017-2020) wurden individuelle Erfahrungen und (Beteiligungs-)Wünsche von Menschen mit geistiger Behinderung bezüglich der Themen ‚Begleitung am Lebensende‘, ‚Sterben‘, ‚Tod‘ und ‚Trauer‘ erhoben. Dabei wurde unter anderem deutlich, dass Menschen mit geistiger und/oder schwerer Behinderung Wünsche zur Begleitung am Lebensende häufig nicht (mehr) entwickeln und oder äußern (können), weil Gesprächsangebote fehlen und sie lebenslang die Erfahrung machen, dass stellvertretende Entscheidungen für sie getroffen und Wünsche nicht berücksichtigt werden. Das Spektrum der geäußerten Wünsche erstreckte sich über eine ebenso große Bandbreite wie bei Menschen ohne Behinderung.

Ausgehend von diesen Ergebnissen richtete das Teilprojekt PiCarDi-U den Blick in der zweiten Förderphase auf die von den gesetzlichen Krankenkassen refinanzierten Beratungsprozesse zur gesundheitlichen Versorgungsplanung nach §132g SGB V. Diese verfolgen den Anspruch, auch Menschen mit geistiger und/oder schwerer Behinderung darin zu unterstützen, Werte, Einstellungen, Wünsche und Ängste in Bezug auf die Begleitung in der eigenen letzten Lebensphase oder in Zeiten schwerer Krankheit zu formulieren und gegebenenfalls zu dokumentieren. Dies soll auch in Zeiten, in denen eigene Äußerungen nicht (mehr) möglich sind, dazu beitragen, dass Personen ihren eigenen Wünschen und Willen entsprechend versorgt und begleitet werden. Das Teilprojekt PiCarDi-U fragte danach, welche Voraussetzungen und Einflussfaktoren auf Entscheidungsprozesse von Menschen mit geistiger und/oder schwerer Behinderung dabei berücksichtigt und wie Beratungsprozesse ausgestaltet sein müssen, um eine selbstbestimmte Beteiligung zu gewährleisten.

Für eine erste Annäherung an die Umsetzung der Gesundheitlichen Versorgungsplanung (GVP) in der Eingliederungshilfe wurde eine Fokusgruppe bestehend aus Menschen, die in einem Wohnheim der Eingliederungshilfe leben oder in einer Werkstatt arbeiten, und GVP-Berater*innen gebildet. In einzelnen Treffen kamen weitere an der Umsetzung der GVP be-teiligte Stakeholder hinzu. Gemeinsam wurden wesentliche Aspekte für die Gestaltung von GVP-Prozessen und ausgewählte Fragen in Bezug auf die Entscheidungsfindung von Menschen mit geistiger Behinderung diskutiert. Hierdurch konnten Fragestellungen für die nächsten Projektschritte überprüft und konkretisiert werden.

Parallel wurden Konzepte zur Umsetzung von GVP aus Einrichtungen, die entsprechende Beratungsleistungen bei den Krankenkassen abrechnen, analysiert.  Im Fokus der Analyse stand die Auseinandersetzung mit bzw. Ausrichtung der Konzepte an den besonderen Anforderungen an die Beratung von Menschen mit geistiger und/oder schwerer Behinderung.

Die Ergebnisse der Konzeptpapieranalyse bildeten die Auswahlgrundlage zur Identifizierung von drei Einrichtungen, in denen jeweils zweitägige Workshops mit verschiedenen an der Umsetzung von GVP beteiligten Personen bzw. -gruppen durchgeführt wurden. Ziel war es, einen Einblick in die jeweilige Umsetzungspraxis von GVP zu erhalten sowie die unterschiedlichen Sichtweisen der Stakeholder auf Potentiale, Risiken und Gelingensbedingungen zu erheben.

In zwei Expert*innenforen wurden GVP-Berater*innen sowie Personen, die bereits Beratungs-prozesse aus einer Klient*innen-Perspektive durchlaufen hatten, zu ihren Erfahrungen befragt.

Zur weiteren Vertiefung der Analyse der Umsetzung von GVP fand eine Beobachtung von drei Beratungsprozessen statt.

Durch diese Ausrichtung des Forschungsprojekts wurde möglich, die Gesamtkonstellation der GVP-Prozesse beeinflussenden Faktoren von der Makroperspektive (Rahmenbedingungen), über Struktur- und Prozesskriterien auf Einrichtungsebene bis hin zu konkreten Beratungs-situationen zu erfassen.

Das Teilprojekt PiCarDi-U arbeitete auch im zweiten Forschungsabschnitt partizipativ-orientiert. So unterstützte ein Forschungspraktikant, der in einem Wohnheim der Eingliederungshilfe lebt, die Bearbeitung ausgewählter Projektteile. Durch den Forschungs-praktikanten konnte das Erkenntnisinteresse um das Thema Peer-Beratung und der Frage nach möglichen Verbindungslinien zu GVP erweitert werden.

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